Kulturtipps

 

Bohuslav Martinu

Klassiktipp

Martinu: Doppelkonzerte, Rhapsody-Concerto; Mari & Momo Kodama, Sarah & Deborah Nemtanu, Magali Demesse, Orchestre Philharmonique de Marseille, Lawrence Foster
Die Werke Bohuslav Martinus erfreuen sich – zumindest auf dem Tonträgermarkt – zunehmender Beliebtheit, und die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zum einen besitzt die Tonsprache des tschechischen Komponisten eine unverwechselbare Physiognomie, die bereits nach wenigen Takten ihren Schöpfer erkennen lässt. Und zum anderen ist die Musik von einer durchweg positiven Energie beseelt, wie sie sich in einer solchen Kraft bei Tonsetzern des 20. Jahrhunderts nur selten findet. Das gilt auch für die drei auf der vorliegenden SACD präsentierten Werke, die Martinu während der 40er- und 50er-Jahre im amerikanischen Exil schuf: die beiden Doppelkonzerte für zwei Klaviere bzw. zwei Violinen sowie das „Rhapsody-Concerto“ für Viola.
Es war eine gute Idee, die Doppelkonzerte jeweils von Geschwisterpaaren interpretieren zu lassen: den Pianistinnen Mari und Momo Kodama bzw. dein Geigerinnen Sarah und Deborah Nemtanu. Für die Gestaltung des Soloparts im Bratschenkonzert zeichnet Magali Demesse verantwortlich. Den Musikerinnen gelingt es auf souveräne und packende Weise, die technischen Hürden der Solostimmen derart zu transzendentieren, dass sie wie improvisiert klingen – wie es sein sollte bei einer Musik, die ihre Inspirationen in nicht geringem Masse aus der Folklore von Martinus Heimatland speisen. Die Pointiertheit des Zugriffs der Solistinnen und die sensible Begleitung des Orchesters umgehen auch den Fallstrick, den Martinus Werke gelegentlich auslegen – nämlich den einer gewissen Redseligkeit, die unter weniger berufenen Händen zu Leerlauf degenerieren kann. Den stärksten Eindruck hinterlässt hier das Konzert für zwei Klaviere, und zwar vor allem wegen des faszinierenden Mittelsatzes, einer Kombination von naturnahem Nachtstück und tiefgründiger Meditation. Allein diese zehn Minuten lohnen das Hören dieser Neuerscheinung.
Thomas Schulz, Fono Forum 8/2018

 

 

Tord Gustavsen Trio

Jazztipp

Tord Gustavsen Trio: The Other Side; Tord Gustavsen (p, electr.), Sigurd Hole (b), Jarle Vespestad (dr)
Als 2008 der Kontrabassist Harald Johnson krankheitsbedingt aus dem Tord Gustavsen Trio ausscheiden musste und 2011 im Alter von nur 41 Jahren starb, waren das harte Schläge für Tord Gustavsen. Seitdem spielt der erfolgreiche norwegische Pianist in unterschiedlichen Besetzungen und kehrt erst jetzt, nach elf Jahren, wieder zu einer festen Triobesetzung zurück: mit dem bewährten Drummer Jarle Vespestad sowie dem neuen Kontrabassisten Sigurd Hole. Beide fügen sich nahtlos in den homogenen Gruppensound ein, der dominiert wird von Gustavsens feinem, singenden Pianospiel.
Man geht wohl nicht zu weit, wenn man das Album „The Other Side“ als späte Trauerarbeit interpretiert, gründend nicht zuletzt auf Chorälen. Im Mittelpunkt stehen drei Werke Bachs. In „Komm, o Tod, du Schlafes Bruder“ aus der Kantate „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“ geht es um die Erlösung einen Kranken von seinem Leiden, aus der getragenen Vorlage formt das Trio ein melancholisches, gleichwohl groovendes Stück Jazz – gänzlich unsentimental und gerade deshalb ergreifend. Während die drei dort im Vergleich das Tempo anziehen, verlangsamen sie es beim Ausschnitt aus der Motette „Jesus, meine Freude“, wodurch die zuversichtliche Botschaft zunächst in Frage gestellt wird. Zum Höhepunkt wird das Passionslied „O Traurigkeit, o Herzeleid“, das Gustavsen kontemplativ beginnt, um es dann dramatisch zu steigern – ein herzzerreissendes musikalisches Gebet.
„The Other Side“ in ein Bekenntnis zwischen meditativer Besinnlichkeit und hymnischer Emphase, inspiriert von Bach-Chorälen, norwegischen Folk-Traditionals und Modern Jazz fügt der ehemalige Kirchenorganist Gustavsen hier divergierende Stile nahtlos zu einem grossen Ganzen.
Andreas Kunz, Fono Forum 9/2018

 

 

 

Maya Yussef

World Music-Tipp

Maya Youssef: Syrian Dreams
Lauf Youssef kann der künstlerische Akt, Musik zu komponieren und zu spielen, Leben und Hoffnung spenden. „Syrian Dreams“, veröffentlicht auf dem Label Harmonia Mundi, entstand als Resultat ihrer Reise durch die letzten sechs Jahre, in denen sie miterleben musste, wie ihr Land in Stücke gerissen wurde.
In das Album flossen Erinnerungen an ihre Heimat ein, ebenso wir ihre Gefühle über den Krieg und seinen Einfluss auf die Bürger Syriens. Für sie erinnert Musik die Menschen wieder an ihre Menschlichkeit – und kann damit ein Gegenmittel für alle konfliktgeplagten Teile der Welt sein – nicht nur für Syrien. So trägt Youssef mit ihrer Musik dazu bei, eine Welt zu erschaffen, in der die Menschen in Frieden miteinander leben können.
Wer nun denkt, Youssef lebe vielleicht etwas zu sehr in einer Traumwelt, muss ein paar Dinge über sie wissen: Erstens ist sie eine der wenigen Frauen, die ein Instrument spielt, das sie sich selber ausgesucht hat, nämlich die Qanun. Erstmals hörte sie dieses Saiteninstrument, als sie begann, Musik zu studieren. Und sie entschied, genau dieses Instrument spielen zu wollen und kein anderes. Gewöhnlich ist die Qanun nur ein Instrument unter vielen in den grösseren Ensembles, doch Youssef hat die Qanun vor allem als Soloinstrument bekannt gemacht.
Für die, die die Qanun nicht kennen sollten: Das Instrument ist eine Art Zither mit 78 Saiten, die im Nahen Osten – und dort vor allem in der arabischen Welt und in der Türkei – gespielt wird. Das Wort „Qanun“ lässt sich auch mit „Gesetz“ übersetzen. Als einziges Instrument in traditionellen arabischen Ensembles, das alle Noten der arabischen Tonleiter auf einzelnen Saiten zu spielen vermag, gibt die Qanun in der dortigen Musik buchstäblich den Ton an – und dies auch aus dem Grund, weil sich die anderen Instrumente nach ihrer Tonhöhe und Stimmung richten müssen. Der Klang der Qanun kann das Ohr zunächst etwas irritieren – einen Eindruck bekommt man, wenn man sich gezupfte Klaviersaiten vorstellt. Aber sobald man sich an die fremdartige Tonalität gewöhnt, lernt man die Schönheit und Vielfalt ihres Klangs schätzen.
Ausserdem hat Youssef eine Gruppe mit Instrumenten und Musikern zusammengestellt, welche die Qanun wunderbar ergänzen; Barney Morse-Brown am Cello, Sebastian Fleig an den Trommeln und Attag Haddad an der Oud.
Das mit Abstand längste und komplexeste Stück des Albums ist „The Seven Gates of Damascus“ (Die sieben Tore von Damaskus). Es symbolisiert eine Reise durch die Stadt und ihre sieben Tore. Das älteste dieser geschichtsträchtigen Tore stammt noch aus der römischen Zeit. Gemeinsam spiegeln sie die Vielfalt der Stadt und des ganzen Landes wider  Momente in der Zeit, die sowohl für Muslime als auch für Christen bedeutsam sind.
Dieses wunderschöne Stück reflektiert den Geist eines Syriens in Frieden – für die Menschen, die davon träumen, ihr Land wieder aufzubauen. Dass Youssef fähig ist, dies ausschliesslich durch den Klang von Instrumenten zu erreichen, spricht für ihre Fähigkeiten als Komponistin und Musikerin. Die emotionale Bandbreite, die sie über das ganze Album hinweg auszudrücken vermag, ist atemberaubend. Indem man hört, wie sie uns die momentane Wirklichkeit und ihre Träume für Zukunft vermittelt, bekommt man unweigerlich das Gefühl, dass es für das Land tatsächlich noch Hoffung gibt.
Mit „Syrian Dreams“ hat Maya Youssef zweifelsohne ein Album geschaffen, dessen Musik uns daran erinnert, was Syrien einst gewesen ist, und das uns Hoffnung für eine friedliche Zukunft des arabischen Landes vermittelt. Obwohl die Stücke aufgrund ihrer emotionalen Kraft teilweise schwer hörbar anmuten, bietet das Album letztlich einen wunderbaren Gegensatz zu der momentanen Lage des Bürgerkriegslandes – als ein Ort ewiger Finsternis.
Richard Marcus – aus dem Englischen von Harald Eckhoff – Qantara.de 2018

Ludwig van Beethoven

Buchtipp

Martin Geck: Beethoven – Der Schöpfer und sein Universum
Welchen Einfluss hatten Shakespeare und Rousseau auf Ludwig van Beethoven? Welches Verhältnis pflegte er zu seinen Zeitgenossen wie Goethe, Napoleon und Schubert? Und wie wichtig war Beethoven seinerseits für Richard Wagner, Glenn Gould oder Aldous Huxley?
Martin Geck spürt dem geheimnisvollen Geflecht der Beziehungen nach, aber auch der Ideen und Motive, die im einzigartigen Werk Beethovens kulminieren, das mit seiner Klangfülle und Dynamik eine Zäsur in der Musikgeschichte markiert.
Er folgt mit erzählerischer Leichtigkeit der Spur der wechselseitigen Inspiration des „Götterfunkens“ von Shakespeare bis Schönberg, von Bach bis Bloch und zeigt, wie zeitlos aktuell der Titan der Musik ist.
Siedler Verlag

 

 

Yuja Wang

Konzerttipp

Samstag,3. November 2018, 19.30 Uhr, Stadthaus Winterthur
Musikkollegium Winterthur
Leitung: Roberto González Monjas
Solist: Yuja Wang
Claude Debussy – „Pelléas et Mélisande“ Sinfonie für Orchester nach der gleichnamigen Oper, arrangiert von Marius Constant (1983)
Maurice Ravel – Konzert für Klavier und Orchester in D-Dur (für die linke Hand)
Albert Roussel – Sinfonie Nr. 1, op. 7, „Le poème de la forêt“